Hanseatische Tugenden
Den Norddeutschen sagt man gern eine gewisse Unterkühltheit und Reserviertheit nach. Im Verhältnis zu manch rheinischen Frohnaturen mag das tendenziell durchaus zutreffen. Die Bremer „ticken“ hier aber um ein paar entscheidende Nuancen anders und das hat mit dem internationalem Seehandel und der Jahrhunderte währenden Mitgliedschaft in der Hanse zu tun.
Wer über Jahrhunderte hinweg über seinen Hafen Handel mit Menschen aus fernen Regionen betreibt, ist zwangsläufig darauf angewiesen, sich auf andere Menschen und Gepflogenheiten einzustellen, Neues zu entdecken und sich auf neue Waren und unbekannte Menschen, die im eigenen Hafen einlaufen, einzulassen. Noch heute gehören die bremischen Häfen als zweitgrößter deutscher und viertgrößter europäischer Universalhafen zu den bedeutendsten maritimen Standorten Europas. Rund 40.000 Beschäftigte sind aktuell in mehr als 1.300 Unternehmen im Bereich Maritime Wirtschaft und Logistik tätig. Bremens maritime Wurzeln aus der Hansezeit hat die Stadt zu einem internationalen und weltoffenen Platz gemacht. Eine entspannte und tolerante Gelassenheit prägen in Bremen daher das Miteinander der Menschen.
Die Hanse wurde bereits Mitte des 12. Jahrhunderts gegründet. Zunächst als Vereinigung von Kaufleuten, später traten dem Bund rund 200 deutsche Städte bei. Zweck der Hanse war die gemeinsam finanzierte Sicherung der Warenwege zu Lande vor Raubrittern und auf See vor Piraten und feindlich gesinnten Dänen und Schweden. Während ab ca. 1550 u.a. auf Druck von Landesfürsten und deren eigenen wirtschaftlichen Interessen immer mehr Städte die Hanse verließen, bekräftigten noch 1630 die verbliebenen Hansestädte Hamburg, Lübeck und Bremen erneut ihr Bündnis. Als Konstrukt des Mittelalters war der Bund der Kaufleute und Städte jedoch schon bald dem wirtschaftlichen und politischen Aufbruch Europas in die Moderne nicht länger gewachsen. Mit der Besatzung Deutschlands durch Napoleons Truppen endeten für die verbliebenen Hansestädte die Privilegien wie politische Selbstständigkeit, die Hamburg und Bremen erst spät wieder zurück erhielten. Was sich jedoch über die Jahrhunderte bis heute tief in die DNA Bremens eingeprägt hat, ist die in der Hansezeit entstandene „hanseatische Kaufmannstugend“, die sich auch in gewisser Weise in der Einstellung zum privaten gesellschaftlichen Umgang der Bremer/innen übertrug.
Ein unter hanseatischen Kaufleuten abgesprochenes Geschäft benötigte keinen schriftlichen Vetrag, ein in die Hand gegebenes Versprechen wurde unter noch so widrigen Umständen eingehalten! Das war nicht nur eine Frage der moralischen Einstellung sondern resultierte auch aus dem existenziellem Druck, seine kaufmännische Vertrauenswürdigkeit aufrecht zu erhalten. Wer einmal sein Wort brach musste damit rechnen, dass sich dies herumsprach und niemand mehr mit ihm Geschäfte machen wollte. Diese hanseatische Kaufmannstugend funktionierte tatsächlich über all die Jahrhunderte hinweg und noch heute gibt es in Bremen Unternehmer, die geschäftliche Vereinbarungen über große Geldbeträge ohne schriftlichen Vertrag einfach mit einem festen Händedruck besiegeln! Diese Verlässlichkeit färbte auf den gesellschaftlichen Umgang aller Bremer/innen ab und auch die im Laufe der Jahrhunderte neu hinzugezogenen Menschen wussten diese hanseatische Art zu schätzen und übernahmen sie.
Es kann Ihnen als Neuling in anderen Regionen passieren, dass Sie Menschen begegnen, mit denen Sie scheinbar schneller warm werden als mit uns Norddeutschen, Zufallsbekanntschaften die Sie schon nach wenigen Sekunden umarmen und nach ein paar Gläsern mit Ihnen „um die Häuser ziehen“ wollen. Aber mit hoher Wahrscheinlichkeit verlieren diese „neuen Freunde“ erfahrungsgemäß auch genauso schnell das Interesse an Ihnen. Wenn Sie dagegen in Bremen nach einer Phase des schrittweisen „Beschnupperns“ die Freundschaft eines bremischen Hanseaten gewonnen haben, dann hält diese Freundschaft ein Leben lang. Hand drauf!
Bürgerliches Engagement ist Bremens großes Plus